Achtsamkeit am Sonntag: Was zählt für mich?

Immer wieder sonntags: Ganz persönliche Momente der Achtsamkeit.

Immer wieder sonntags: Ganz persönliche Momente der Achtsamkeit.

Ein voller Terminkalender hin oder her - der Sonntag ist für mich ein Tag der Ruhe und der Achtsamkeit. Ich beschäftige mich schon seit meiner Kindheit mit Themen wie Religion, Yoga und Meditation. Dabei spielt Achtsamkeit eine große Rolle auf dem Weg zum bewussten Sein. Das Sein im Moment als hilfreiche Haltung, mit einer Sammlung von hilfreichen Tools für den Alltag, ist mir später wieder im Psychiatrie-Praktikum untergekommen. Sofort war meine Begeisterung für das “Sein statt Tun” wieder da.

In der Psychotherapie gibt es achtsamkeitsbasierte Programme, allen voran das 8-Wochen-Programm, dessen Wirksamkeit gegen Angst, Depression und andere psychische Beschwerden sehr gut belegt ist. Ich selbst sehe mir das Programm immer wieder gerne an, um neue Übungen für mich zu entdecken. Denn in der menschlichen Psyche gibt es kein Schwarz und Weiß, vielmehr Graustufen. Angst und Depression sind psychische Ausnahmezustände, die jeden von uns treffen können. Doch sie kommen nicht von heute auf morgen. Einer psychischen Erkrankung geht eine Zeit hoher Anforderungen voraus, die auf unsere individuelle Verletzlichkeit trifft. Irgendwann ist das Fass voll, alles wird uns zu viel, unser Körper spielt nicht mehr mit und zeigt dies durch überdauernde deprimierte Stimmung, permanentes Gedanken-Kreisen, ängstliche Zuständen oder andere Alarmzeichen. Um diesen psychischen Krisen vorzubeugen, kann Achtsamkeit ein sehr hilfreicher Begleiter im Alltag sein. Besonders wertvoll empfinde ich die achtsame Haltung, so oft wie möglich, in diesem Moment. Denn Achtsamkeit ist kein reines Werkzeug, keine bloße Übung, die man jetzt einsetzt und dann wieder sein lässt. Vielmehr kann Achtsamkeit im Alltag in jedem Moment gefunden werden. Ich versuche, in meinem Alltag immer wieder offen zu sein für diese so wohltuenden Augenblicke.

IM FOKUS: “WAS ZÄHLT?” MIT CLAUDIA HENZLER

Gemeinsam mit meiner Tochter habe ich mich im Herbst 2018 ganz spontan dazu entschlossen, einen Fotoworkshop besucht. “Geleitet von Claudia Henzler, Friedenspreisträgerin” stand auf der Ausschreibung des Salzburger Domquartiers, wo die 4-teilige Workshop-Reihe stattfand. Bis dahin hatte ich nur mit dem Smartphone fotografiert, die professionelle Fotografie mit Spiegelreflex-Kamera stand aber schon lange auf meiner “Bucket List”. Der Workshop, an dem insgesamt sechs Frauen teilnahmen, war dann aber alles andere als ein Technik-Kurs. Ich hatte den Untertitel nicht genau gelesen, nicht hinterfragt, zumindest nicht bewusst: IM FOKUS, WAS ZÄHLT? Doch schon während der ersten Augenblicke im Kreise der Workshop-Teilnehmer erkannte ich, dass diese Zeit, die wir uns genommen hatten, besonders wertvoll sein würde.

Claudia Henzler vereint mit ihrer Fotografie Leidenschaft und Beruf, aber noch viel mehr: In der Begegnung mit Menschen bringt sie Achtsamkeit in das Leben ihres Gegenübers. Passend zu ihrer Begeisterung für das, was zählt, hat sie die “Schule der Achtsamkeit” gegründet. Jeder Workshop-Tag begann mit einer Achtsamkeitsübung, die unser Dasein ins Hier und Jetzt, in die ehrwürdigen Hallen des Domquartiers, in unseren kleinen Kreis kreativer Frauen, brachte. Der Schwerpunkt lag nicht auf technischen Details, Kameraeinstellungen oder Lichtverhältnissen. Vielmehr regte Claudia Henzler uns an, das für uns zu finden, was jeweils in unserem Leben wirklich für uns zählt. In intensiven Aufgaben beschäftigten wir uns damit, was uns bewegt. Was uns wichtig ist, wofür wir uns - abseits von allen “Verpflichtungen” des Alltags - im tiefen Inneren interessieren. Wofür unser Herz schlägt, was uns antreibt. Um das herauszufinden, schenkten wir uns selbst ein so wichtiges Geschenk: Zeit.

Was dabei herauskam, war so individuell wie jede von uns: Für eine von uns zählt, das Leben möglichst bunt zu gestalten. Für die andere ist es die Natur, mit ihrer Flora und Fauna, die zählt. Emotionen, Architektur, Kirchen, Design, Kunst, Mode… die Ideen und die Prioritäten waren facettenreich. Der Entwicklungsprozess von Workshop zu Workshop intensiv und beeindruckend zu beobachten. Für mich zählt das Mensch sein, mit allen Bedürfnissen, mit den Höhen und Tiefen des Lebens. Dieses Bewusstsein hat mich wieder darin bestätigt, wie gerne ich als Psychotherapeutin tätig bin, um Menschen mit ihren jeweiligen Bedürfnissen durch schwierige Zeiten begleiten zu dürfen.

HERAUSFORDERUNGEN ÜBERWINDEN

Mit der Kamera in der Hand und dem Bewusstsein, was für uns zählt, im Fokus, machten wir uns auf die Suche nach Motiven. Mit offener Linse, mit offenem Auge, mit offenem Herzen. Wertvolle Begegnungen von Mensch zu Mensch entstanden, wertvolle Bilder entstanden, wertvolle Augenblicke wurden mir bewusst. Eines der zahlreichen Bilder wählten wir gemeinsam aus, verfassten einen Text dazu, fanden einen passenden Titel. So viele Momente, so viele tolle Bilder, so berührende, so passende Worte. Und überall: Achtsamkeit. Sein, im Moment, im Hier und Jetzt. Ganz bei unserem Bild, ganz bei unserem Text, ganz dort im Kunstlabor des Domquartiers. Für uns alle war es ein intensiver Prozess, voller persönlicher Herausforderungen und Überwindungen (“Kann ich fremde Menschen auf der Straße ansprechen, um ein Foto von ihnen aufzunehmen?”…), voller Zweifel und einigen technischen Hindernissen. Aber auch ein Prozess voll persönlichem Wachstum, aus dem ich mit mehr Selbst-Bewusstsein, geschärftem Blick für das Wesentliche und unbezahlbaren Erinnerungen weiter gehe. Auf ihrem Blog beschreibt die lebensfrohe Wahl-Salzburgerin Claudia Henzler diesen intensiven Prozess in unserer Gruppe.

Mit nach Hause, mit ins Leben habe ich mir das Bewusstsein genommen: Was zählt für mich? Jetzt? Das kann sich ändern, das kann sich wandeln. Immer wieder werde ich mir die Zeit nehmen, mir bewusst zu machen: Was zählt für mich? Dieses Wissen gibt Halt, schafft Orientierung, fühlt sich so stimmig an mit meinen ganz eigenen Werten und meiner Haltung. Ich habe erlebt, wie Kunst und Kreativität in mein Leben finden und wie sich Abstraktes und Konkretes harmonisch verbinden lassen.

Voll Dankbarkeit dafür, dass ich mir die Zeit für diesen Workshop genommen habe, freue ich mich auf nächsten Freitag:

Die Werke aus der Fotoworkshop-Reihe “Im Fokus: Was zählt” sind ab Freitag, 28.09.2018, bis Ende Oktober im Terrassensaal der Residenzgalerie zu sehen. An diesem Tag findet von 15: 00 bis 17:00 Uhr die gemeinsame Eröffnung der Ausstellung statt.

© Claudia Henzler.

© Claudia Henzler.



Magdalena Lublasser-Fazal