Unsere psychische Selbstheilkraft: Die Homöostase
© Canva. Auch ein verschmutzter Fluss wird wieder sauber - dazu braucht es Geduld und manchmal auch Unterstützung.
In seinem Buch “Die neue Medizin der Emotionen” erklärt der französische Neurologe und Psychiater David Seran-Schreiber, wie wir selbst zu unserem psychischen Gleichgewicht beitragen können. Der Untertitel “Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente” beschreibt seine Haltung: Es gibt viele Möglichkeiten, ohne starke Medikamente* und langjährige Psychotherapie gesund zu werden. Der Bestseller-Autor richtet sich damit gegen seinen eigenen Berufsstand der Psychiater und gegen die in Frankreich vorherrschende Psychotherapie in Form der Psychoanalyse, die in ihrer ursprünglichen Haltung über viele Jahre durchgeführt wird. Seran-Schreiber stellt in seinem Buch sieben wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethoden dar, die das “emotionale Gehirn” und unsere Selbstheilkräfte aktivieren.
Zu diesen Methoden zählt unter anderem:
EMDR (neuro-emotionale Integration durch Augenbewegungen): eine Methode, die sich nach Posttraumatischen Belastungsreaktionen als sehr hilfreich erwiesen hat
Akupunktur: Unmittelbare Aktivierung des Qi (der Lebensenergie)
Omega 3 Fettsäure: Ernährung für das emotionale Gehirn
Kohärenz: Der ausgewogene Rhythmus von Sympathikus und Parasympathikus
Tageslicht: Unsere innere Uhr lässt sich gezielt beeinflussen
Sport: Bewegung ist eines der besten und günstigsten Mittel gegen Depressionen
Liebevolle Beziehungen: Egal ob mit dem Partner oder einem Mitmenschen
(Die einzelnen Methoden werden zukünftig in weiterführenden Beiträgen erklärt.)
Das Buch des Querdenkers wurde zum Bestseller.
Wo anfangen: Welche Methode ist die Beste?
Dieser Frage widmet David Seran-Schreiber in seinem Buch ein ganzes Kapitel. Die Essenz daraus leitet er mich der Bedeutung des Begriffs “Homoöstase” ein: Von Claude Bernhard bereits im Jahr 1878 beschrieben, verstehen wir unter Homoöstase die natürliche Tendenz des Menschen, zurück ins Gleichgewicht zu kommen. Carl Gustav Jung und Abraham Maslow sahen Selbstheilung und Selbstvervollkommung als die Grundlage menschlichen Lebens. Besonders schön finde ich den Vergleich unseres Lebens mit der Natur: Nichts ist statisch, alles in Bewegung. So wie ein Fluss verschmutzt werden kann, so reinigt er sich auch wieder von selbst. Dies kann je nach Grad der Verschmutzung eine Zeit lang dauern, doch früher oder später wieder er sauber und klar sein. Wenn z.B.Umweltschutzaktionen oder aktive Reinigung durch engagierte Experten den Fluss unterstützt, wieder sauber zu werden, gelingt die Reinigung schneller.
Ähnlich verhält es sich auch mit unserem Leben: Wir leben unser Leben mit allen Höhen und Tiefen, mit den Herausforderungen des Alltags, sind mal glücklich, mal zufrieden, mal traurig, mal wütend, kommen an unsere Grenzen. Doch meist gelingt es uns, von alleine wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Wenn aber alles zu viel wird, werden wir sprichwörtlich aus der Bahn geworfen.
Die von Seran-Schreiber beschriebenen Ansätze wirken jeder für sich förderlich für die Homöostase und somit für das psychische Gleichgewicht. Egal ob wir in einer Phase der Depression wieder beginnen, Sport zu machen oder uns dazu überwinden, uns mit Freunden zu treffen - all dies unterstützt unseren Körper und unsere Psyche dabei, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Alle Behandlungen wirken positiv und ausgleichend auf unseren Parasympatikus (zum Beitrag "Zwei Systeme im Ausnahmezustand”), jenen Kreislauf, der für Ruhe und Entspannung zuständig ist. Diese wirksamen und zugleich sanften, meist auch kostengünstigen, Behandlungsmethoden wirken jede für sich und haben darüber hinaus noch einen wertvollen Synergieeffekt: Sie beeinflussen sich gegenseitig positiv. Dabei sind sie nebenwirkungsfrei und wirken auf viele Bereiche unseres Organismus.
* Dies spiegelt die Haltung des Autors wieder. Ich selbst sehe Medikamente gerade in psychischen Krisen als wichtige biologische Unterstützung, um das Nervensystem beim Gesund-Werden zu unterstützen. Wichtig ist aus meiner Sicht die engmaschige Begleitung durch den fachkundigen Hausarzt oder den Psychiater. Medikamente alleine können jedoch die psychische Erkrankung nicht “heilen”, da häufig nicht hilfreiche Denk- und Verhaltensmuster dahinter liegen. Psychotherapie kann helfen, diese Muster zu verändern und das eigene Leben nachhaltig zu verbessern.