Grundbedürfnis Sicherheit & Kontrolle
© Canva: Das Bedürfnis nach Schutz ist uns angeboren.
Bereits von klein auf haben wir das Bedürfnis, der Welt nicht ausgeliefert zu sein. Das angeborene Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle schützt uns Menschen seit jeher davor, von Feinden “vernichtet” zu werden. Schon ganz früh im Leben erfahren wir erstmals ein Gefühl von Kontrolle, nämlich im Neugeborenenalter: Wenn wir schreien, werden wir gehört, unsere Eltern kümmern sich um uns. Wir sind zwar nicht mobil und können noch nicht gut sehen, doch unser Schrei bedeutet ein kleines Stück Kontrolle. Wir werden hochgehoben, werden gefüttert, erleben Selbstwirksamkeit - ein Grundbedürfnis, das sehr eng mit Kontrolle verbunden ist.
Perfektionismus: Kontrolle gibt Sicherheit
Wir wachsen auf und machen unterschiedliche Lernerfahrungen. Für manche von uns war Sicherheit in der Familie ein sehr zentrales Thema. Dies zeigt sich sehr oft im Bestreben nach finanzieller Sicherheit. Aber auch in dem Gefühl von Angst und Vorsicht, das in vielen Familien wie ein Damoklesschwert über dem Alltag schwebt. Ob durch reale Bedrohungen wie finanzielle Engpässe, Krankheiten oder Krisen oder aber durch die Persönlichkeit der jeweiligen Familienmitglieder (etwa eine Mutter, die sich ständig Sorgen macht) - Angst schwingt oft mit. Mancher von uns erlebt ständig die Missachtung des natürlich angelegten Bedürfnisses nach Sicherheit und Kontrolle und lernt, dass wir so, wie wir sind, einfach nicht wahrgenommen werden. Dieses unangenehme Gefühl kann dazu führen, dass Kontrolle und Sicherheit zu einem sehr wichtigen Bedürfnis für uns wird. Wir überkompensieren die grundlegende Angst und fühlen uns durch Sicherheit und Kontrolle besser. Die Art, wie wir Kontrolle und Sicherheit leben, ist ganz unterschiedlich: Für den einen ist es die Wahl einer sicheren Ausbildung und eines vernünftigen Berufs, bei dem man “gut” verdient. Für den anderen ist es das Leben mit doppeltem Sprungnetz unter den Füßen - immer den sichersten Weg wählen, viele Versicherungen abschließen, bloß kein Risiko eingehen. Wer sich als perfektionistischer “Monk” bezeichnet, kennt zwanghafte Verhaltensweisen, die sich aus einem starken Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit entwickeln: Drei Mal kontrollieren, ob der Herd ausgeschalten ist, die Stifte in einer bestimmten Reihenfolge ordnen, die absolute Sauberkeit im eigenen Heim. Durch unser Verhalten geben wir uns selbst (vermeintliche) Sicherheit, denn ein Restrisiko bleibt immer, so sehr wir uns auch bemühen, dagegen anzukämpfen.
Wenn Kontrolle überhand nimmt
So individuell wie wir Menschen, so ist es auch die Ausprägung unserer Bedürfnisse nach Sicherheit und Kontrolle. Und ebenso die Art, wie wir dies in unserem Denken, Fühlen und Verhalten zeigen. Grundsätzlich kommen wir mit einem gewissen Maß an Sicherheit und Kontrolle gut durch das Leben, wir brauchen diese Strukturen auch, um erfolgreich durch die Ausbildung zu kommen, uns eine Existenz aufzubauen und für die Zukunft vorzusorgen. Problematisch werden diese Muster erst, wenn sie uns im Alltag behindern. Wer sich aus übermäßigem Sicherheitsbedürfnis nicht mehr aus dem Haus traut oder in einem Beruf steckt, der subjektiv schrecklich sinnlos ist, aber gutes Geld bringt, gefährdet auf Dauer sein psychisches Wohlbefinden. Zwanghaftes Verhalten kann in einer starken Ausprägung das Leben erschweren und als Last erlebt werden. Wenn wir erkennen, woher das übermäßig starke Ausprägung des Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle kommt, können wir uns selbst besser verstehen und mit unserem Verhalten besser zurecht kommen.
Mit einem starken Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit kommen wir manchmal auch an unsere Grenzen, vor allem dann, wenn uns das Leben mit einer unerwarteten Herausforderung überrascht. Denn dann müssen wir erkennen, dass unsere Kontrollmechanismen, an denen wir so hartnäckig festgehalten haben und die wir so perfektioniert haben, nichts nützen und wir eine Alternative finden müssen.
In solchen Fällen kann die Reflexion der eigenen Grundbedürfnisse, wo sie herkommen und warum sie einen so hohen Stellenwert im Leben des Menschen haben, sehr entlastend sein.
“Je planmäßiger der Mensch vorgeht, um so wirkungsvoller trifft ihn der Zufall.”