Raus aus alten Mustern

Gefangen in der Vergangenheit: Alte Schema machen uns das Leben schwer. Zeit, auszubrechen!

Gefangen in der Vergangenheit: Alte Schema machen uns das Leben schwer. Zeit, auszubrechen!

Das Leben selbstbestimmt gestalten

Kinder erleben in ihrer Entwicklung bestimmte Bedürfnisse. Diese wiederholen sich regelmäßig.

Das Umfeld kann entweder:

  • Die Bedürfnisse befriedigen

  • Übergehen oder ignorieren

  • Oder das Kind aktiv frustrieren

Je nachdem, in welchem Umfeld ein Kind aufwächst und wie die Bezugspersonen die Bedürfnisse angemessen wahrnehmen und befriedigen, entwickelt das Kind ein bestimmtes Schema, also eine bestimmte Art, wie es die Welt wahrnimmt. Dadurch wird seine Identität, seine Weltsicht, die Sicht auf andere Personen und Beziehungen sowie die Einschätzung der Gestaltungsmöglichkeiten in seinem Leben bestimmt. Wenn ein Kind erlebt, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden, lernt es von klein auf: „Die Welt ist ein guter Ort. Ich werde ernst genommen. Die Menschen um mich herum mögen mich, so wie ich bin.“ Im Idealfall erfährt ein Kind, dass es gut ist, so wie es ist und geliebt wird, weil es existiert. Selbstverständlich ist es wichtig, im Laufe seiner Entwicklung auch zu lernen, sich an die Regeln der Gesellschaft anzupassen. Es geht nicht um Laizzes-faire-Erziehung ohne Grenzen, sondern vielmehr um die Unterscheidung: Du BIST ein toller Mensch, so wie du bist (und nicht aufgrund deiner herausragenden Leistung in der Schule, aufgrund deiner Unterwürfigkeit deinen Eltern gegenüber, aufgrund deines besonders angepassten Verhaltens...). Wenn du in der Welt auch noch gut zurecht kommen möchtest, dann VERHALTE dich den Regeln der Gesellschaft entsprechend. Leider lernen Kinder oft, dass sie geliebt werden, weil sie sich den Erwartungen ihrer Umwelt entsprechend verhalten. Dies passiert meist nicht bewusst, vielmehr auf unbewusster Ebene, quasi nebenbei. Denn Eltern und Bezugspersonen senden ständig Botschaften aus, die von Kindern aufgenommen und interpretiert werden.


autobahnen IM GEHIRN

Diese Schema bildet neuronale Netzwerke im Gehirn, das bedeutet so etwas wie Autobahnen, nach denen das Gehirn funktioniert. Je öfter das Kind bestimmte Erfahrungen macht, desto fester werden diese Autobahnen im Gehirn zementiert. Anfangs muss das Kind ja noch alles lernen – ähnlich wie beim Klavierspielen. Nach und nach werden erleben und Verhalten aber als Schema abgespeichert. So wie bei einem guten Klavierspieler läuft das Schema dann in bestimmten Situationen automatisch ab. Schema sind sozusagen das Drehbuch dafür, wie wir uns im Leben fühlen und wie wir dem Leben begegnen.

Sie beeinflussen unsere Antworten auf die Grundfragen des Lebens:

  • Ist die Welt ein guter oder ein schlechter Ort?

  • Sind andere Menschen unterstützend oder bedrohlich?

  • Bin ich selbst erwünscht oder unerwünscht?

  • Habe ich in dieser Welt eine selbstverständlichen Platz oder muss ich um diesen kämpfen?

  • Darf ich mich, meine Bedürfnisse, Gefühle und Meinungen in dieser Welt frei ausdrücken oder ist dies gefährlich?

  • Wie weit und unter welchen Umständen darf ich mich von meiner Gruppe unterscheiden?

  • Darf ich eigenständig leisten/kreativ sein?

  • Haben hier alle Menschen vergleichbare Rechte? Oder haben manche Menschen mehr Rechte als andere?


Wenn unsere Schema aktiviert werden, dann fühlen, handeln und denken wir in einem uns bekannten Modus. Je nachdem, ob unsere Grundbedürfnisse erfüllt wurden oder nicht, entwickelt wir positive oder negative Schema. Positive Schemata ermöglichen es uns, die positiven Aspekte unseres Lebens zu leben: Dass wir uns Zeit für uns nehmen, auf Urlaub fahren, unsere Arbeit anerkennen und uns um uns selbst kümmern. Wenn das gelingt, haben im Laufe unseres Lebens gelernt, auf gewisse Grundbedürfnisse zu hören und diese für uns zu erfüllen. Negative Schemata hingegen hindern unser Wohlbefinden. Sei es im Job oder im Privaten, diese Hürden können uns erheblich in unserer Freiheit beschränken. Erst wenn wir genau hinschauen und unsere negative, maladaptiven Schemata erkennen, können wir sie verändern.

Wir Leben im Autopiloten-Modus

Diese Schema sind also unsere Muster, mit denen wir ins Leben gehen. Sie sind oft sehr stabil und in verschiedenen Lebensbereichen aktiv. In ähnlich erlebten Situationen werden sie sogleich automatisch aktiv. Viele Menschen sind sich dieser Muster bewusst, haben aber das Gefühl, in ihnen gefangen zu sein und nicht ausbrechen zu können. Man fühlt sich dann wie ein Passagier im Zug des automatischen Denkens, Handelns und Fühlens. Mit Selbsterfahrung und Psychotherapie können wir lernen, an der nächsten Haltestelle auszusteigen.


zB „Ich habe mir schon x-mal vorgenommen, ruhig zu bleiben. Und wieder bin ich explodiert.“


Wie negative Muster entstehen:

  • Bei schwierigen Umweltbedingungen (zB „schwere Zeiten“, Katastrophen, aber auch finanzielle Schwierigkeiten der Eltern, Streitereien in der Familie, Sorgen)

  • Bei schwierigen biologischen Bedingungen (Das Kind ist reizbar, emotional, verletzlich, sehr offen, sorgsam, sensibel, aber auch krank, geschwächt, traumatisiert)

  • Die Bezugspersonen verhalten sich nicht angemessen der jeweiligen Bedürfnisse des Kindes.


Gefühle als Wegweiser in die Vergangenheit


Bei der Entstehung der Schemata spielen Gefühle eine zentrale Rolle. Wenn unsere Bedürfnisse befriedigt werden, erleben wir positive Gefühle. Ganz klar: Ein Baby, das hungrig ist, schreit. Sobald es gefüttert wird, wirkt es wieder glücklich und zufrieden. Ebenso verhält es sich mit kleinen Kindern. Sie möchten Autonomie, etwa alleine den Einkaufswagen schieben – und strahlen über das ganze Gesicht, wenn sie dann ihre Bedürfnis nach Autonomie erfolgreich durchgesetzt haben.

Häufig kommen Gefühle wie Wut, Ärger, Angst oder Resignation dazu. Wenn wir etwa als Kind immer wieder erlebt haben, dass unsere Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden und darauf immer wieder mit dem Gefühl der Angst reagiert haben, kann uns dieses Gefühl bis ins Heute permanent begleiten. Deshalb Gefühle im Heute ein wichtiger Kompass dafür, ob und welcher unserer Grundbedürfnisse erfüllt wurden oder nicht. Unsere Gefühle sind körperliche Signale, die uns helfen sollen, möglichst gut durch den Alltag zu kommen. Meist dienen sie uns als Orientierungen, wie wir durch Leben kommen und leisten uns dabei gute Dienste. Wenn wir in einer Situation ein ungutes Bauchgefühl haben, vertrauen wir am besten darauf und sind so bestimmt von manchem Schaden bewahrt worden. Im Umgang mit anderen sagen uns Gefühle meist zuverlässig, ob wir dieser Person trauen können oder wir besser das Weite suchen. Es gibt jedoch auch Gefühle, die quasi am falschen Dampfer sind. Das Vorhandensein eines Gefühls beschreibt nicht immer die äußere Wahrheit. So zum Beispiel bei einer bekannten Angststörung, der Agoraphobie:

Jemand mit Agoraphobie hat erhebliche Angst vor freien Plätzen. Die Grundangst lautet: „Ich weiß nicht, was da passiert, ich könnte die Kontrolle verlieren.“. Durch diese Angst meidet der Betroffene offene Plätze. Kurzfristig sinkt dadurch die Angst und der Klient erlebt eine Erleichterung. Zugleich wird dem Gehirn aber vorgegaukelt: „Die Entscheidung war genau richtig. Mach weiter so!“, das Belohnungszentrum im Gehirn wird aktiviert und der Mensch erlebt ein gutes Gefühl, er wird in seiner Fluchtreaktion bestärkt. Dadurch lernt der Mensch, seiner Angst zu gehorchen. So übernimmt die Angst das Kommando.

Raus aus den Lebensfallen

Warum kommen wir immer wieder in diese Lebensfallen (E. Roediger) zurück? Weil sie uns damals, als die Schema gebildet wurden, gut Dienste erwiesen hatten. Damals als Kind mussten wir mit unterschiedlichen Herausforderungen umgehen. Wir reagierten, wie es uns nach unseren Möglichkeiten gelang und wir „überlebten“ die Situation(en). Als Kind ist man seiner Umwelt „ausgeliefert“ und hat keine andere Wahl, als im jeweiligen System die beste Überlebensstrategie zu finden. Das hat funktioniert, wir sind erwachsen geworden, haben die Kindheit „überlebt“. Doch wenn uns diese Muster stören oder hinderlich sind, ist es an der Zeit, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen. Dies gelingt nicht von heute auf morgen, sondern vielmehr Schritt für Schritt, von Tag zu Tag. Doch es zahlt sich aus: Der Lohn dafür ist neu gewonnenen Freiheit und mehr Lebensqualität.

Buchtipp: Raus aus den Lebensfallen von E. Roediger. Ein leicht verständlicher Ratgeber, der aus meiner Sicht jedem von uns helfen kann, aus seinen alten Mustern auszubrechen.