Stress macht krank: Wie unser Immunsystem leidet
Dauerstress wird zur Zerreißprobe, unsere Gesundheit leidet darunter.
„Wann hast du zum letzten Mal einfach nichts getan“? Diese Frage stelle ich Menschen in meinem Umfeld gerne, sie regt zum Nachdenken an. Meist kann sich mein Gegenüber gar nicht mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal einfach nur “war“. In einer Zeit von permanenter Erreichbarkeit, mangelndem Halt durch verloren gegangene Strukturen und Traditionen sowie dem Smartphone als unserem ständigen Begleiter ist es wenig verwunderlich, dass die stressbedingten Erkrankungen rasant zunehmen. Denn chronischer Stress ist eine hohe Belastung für unser Immunsystem.
Kämpfen oder Flüchten
Unser Organismus denkt und reagiert zu einem großen Teil noch so wie jener unserer Vorfahren. In einer Zeit von Säbelzahntiger und Mammut war jede falsche Entscheidung fatal. Dementsprechend hat unser Körper gelernt, in bedrohlichen Situationen rasch zu reagieren und in den Automatik-Modus zu schalten: Stresshormone werden ausgeschüttet, die in solchen Situationen “unwichtigen“ Körperfunktionen wie Verdauung, Hunger oder Schlafbedürfnis schwächen. Wir sind im „Fight-oder-Flight-Modus“, also bereit zum Kämpfen oder Flüchten. Für den Steinzeit-Menschen war das sinnvoll und hilfreich. Heute sind es ToDo-Listen, Mails und Umweltbelastungen, die uns stressen. Automatisch reagiert unser Körper mit der Ausschüttung von Stresshormonen, damit wir möglichst schnell mit der „Gefahrensituation“ zurecht kommen. Wir können aber nicht vor unseren Aufgaben davonlaufen, vielmehr kommen ständig neue Herausforderungen dazu. Ein negativer Teufelskreis entsteht.
Stress beeinflusst den ganzen Körper
Die Psycho-Neuro-Immunologie ist eine relativ junge Wissenschaft, die sich mit den wechselseitigen Zusammenhängen von Psyche, Nervensystem und Immunsystem beschäftigt. Immer mehr Studien bestätigen diese engen Verknüpfungen. Besonders eindrücklich ist dies bei Stressreaktionen zu beobachten. Wenn chronischer Stress über einen längeren Zeitraum auftritt, befindet sich unser Körper in permanenter Alarmbereitschaft. Davon sind viele Bereiche des Organismus betroffen. Stresshormone wie Kortisol oder Adrenalin ausgeschüttet, zu Beginn werden Immunreaktionen unterdrückt, um kampf- oder fluchtbereit zu sein. Nach akutem Stress, wie etwa eine wütenden Telefonat mit einem Kunden, ist unsere Abwehr für mehrere Stunden geschwächt. Kommen ständig neue Belastungen hinzu und nimmt der Stress nicht ab, erkennt der Körper ihn als echte Bedrohung. Auf immunologischer Ebene kommt es zu Entzündungsreaktionen. Der Körper unterscheidet dabei nicht, ob wir von Viren befallen sind oder unter Stress stehen. Die permanente erhöhte Stressbelastung schwächt das Immunsystem auf Dauer, wir werden anfällig für Infektionen. Ganz klassisch in stressigen Zeiten ist auch der Ausbruch von Herpes. Experten für Psycho-Neuro-Immunologie sprechen auch davon, dass Dauerstress für Autoimmunerkrankungen und Krebserkrankungen mitverantwortlich ist.
Sein statt tun
In der Psychotherapie beobachten wir seit einigen Jahren beeindruckende Erfolge mit dem Praktizieren von Achtsamkeit. Ob Body-Scan (eine Meditation, die das Bewusstsein von Kopf bis Fuß durch den Körper führt), achtsames Essen mit vollem Fokus auf den Genuss oder Atemübungen, die uns ins Hier und Jetzt bringen, diese einfachen Methoden zeigen große Wirkung. Sein statt Tun, lautet die Botschaft.
3 Tipps gegen Stress
Atmen!
Klingt so einfach, doch unsere Atmung ist ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Alltagsstress. Durch bewusstes Atmen kommen Körper und Geist zur Ruhe: Tief einatmen, den Atem für drei Sekunden anhalten, sanft ausatmen. Fünf Mal im eigenen Rhythmus wiederholen und den Unterschied spüren!
Im Moment sein!
Schon vor dem Aufstehen rattert es im Kopf: So viel zu tun heute, wie soll ich das bloß schaffen? Wir sind in Gedanken meist um Stunden und Tage voraus. Gute Planung ist wichtig, doch die regelmäßige Besinnung auf den Moment entstresst und sorgt für mehr Effizienz bei der aktuellen Aufgabe. Mehrmals täglich für eine Minute innehalten ist ein erster Schritt.
Rituale!
Ein großer Stressfaktor ist die 24/7-Erreichbarkeit und die daraus resultierende Haltlosigkeit. Kleine Rituale im Alltag wieder Orientierung: Wie etwa die Tasse Kaffee am Morgen, die voll Achtsamkeit genossen wird. Oder die Lieblingsplaylist, die bewusst und nicht nebenbei gehört wird.
Was genau in Stresssituationen in unserem Körper passiert, lesen Sie hier.