Achtsamkeit am Sonntag: Woche 3 von 8

© Magdalena Lublasser-Fazal; Bewusstes Sein hilft uns, mit Stress und Ärger besser umzugehen.

© Magdalena Lublasser-Fazal; Bewusstes Sein hilft uns, mit Stress und Ärger besser umzugehen.

In den vergangenen Jahren wurde die Achtsamkeit, die aus fernöstlichen Traditionen entstammt, auch in der Psychologie als hilfreiche Fertigkeit entdeckt, um besser mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Lange Zeit hatte man versucht, den Menschen beizubringen, negative Gefühle aktiv von sich zu schieben und unangenehme Gedanken aus dem Weg zu gehen. Doch die Erfahrung zeigt: Wenn wir etwas ganz bewusst verdrängen wollen, bleibt es umso fester in unserem Kopf verankert. Kein Wunder: Wir versuchen unbewusst, Unangenehmes von uns fern zu halten. Dies entspricht unserem Grundbedürfnis nach Kontrolle und Unlustvermeidung zugleich. Manchmal gelingt es uns jedoch nicht, von diesen lästigen Gedanken oder den unguten Gefühlen weg zu kommen.

Wie ein Krieger: Angst und Zweifel ins Auge schauen

Die achtsame Haltung schlägt eine andere Möglichkeit vor, wie wir mit diesen Störenfrieden umgehen können: Wie ein mutiger Krieger stellen wir uns den (meist gedanklichen) Herausforderungen des Lebens. Anstatt sie zu verdrängen oder zu versuchen, (gedanklich) zu fliehen, bewegen wir uns bewusst auf das Unangenehme zu .

Wenn wir Grübeln und uns Sorgen machen, werden im Wesentlichen zwei weit verbreitete Mechanismen ausgelöst:

  • Grübeln über Vergangenes sorgt für depressive und wütende Zustände.

  • Die Gedanken daran, was die Zukunft alles (Ungewisses und Schreckliches) bringen mag, sorgt dafür, dass wir uns fürchten und Angst verspüren

Das Bewusst-Sein im Moment kann ein guter Anker sein, um nicht ins emotionale Chaos zu stürzen. Die Atmung ist das stärkste Hilfsmittel, um bewusst ins Hier und Jetzt zurück zu kommen. Sie holt uns aus unserem Gedankenkarussell. Dazu brauchen wir erst eine gewisse Übung im bewussten Atmen. Wenn wir erst einmal gelernt haben, dieses tolle Werkzeug bewusst einzusetzen, haben wir diesen Anker immer bei uns und können uns ganz schnell zurück in den Moment holen.

Bewusst-Sein statt Tun: Unser Körper als Frühwarnsystem

Neben der Atmung ist auch unser Körper ein wichtiger Verbündeter, wenn wir uns dem Abschweifen unserer Gedanken stellen. Ohne Bewusst-Sein behandeln wir unseren Körper oft als hätten wir unendliche Ressourcen. Wenig Schlaf, Mangelernährung, Nikotin, Alkohol, Dauerstress können je nach individueller Grundkonstitution eine Zeit lang ausgehalten werden. Doch früher oder später spüren wir: So kann es nicht weiter gehen. Durch Bewusst-Seins-Übungen in Verbindung mit unserem Körper lernen wir unsere eigenen Grenzen kennen und merken in Zukunft frühzeitig, wo unsere Energiereserven nicht weiter reichen - bevor die Batterien komplett leer sind. Zu den Achtsamen Körperübungen zählt das bewusste Dehnen in Verbindung mit bewusstem Atmen. Hier gibt es eine Dehnungsübung für den ganzen Körper (Quelle: Youtube, AOK-bw.de) Wer eine Woche lang jeden Tag 1,5 Minuten investiert und bewusst dehnt, lernt seinen Körper besser kennen.

Durch die Bewegung fällt es uns leichter, uns auf den Moment zu konzentrieren. Die Gedanken sind mit den Empfindungen im Körper beschäftigt. Nun geht es darum, bewusst zu spüren: Wo fühlt sich mein Körper angenehm an? Wo tut vielleicht etwas weh? Wenn wir unangenehme Empfindungen verspüren, ist unser erster Impuls meist, diese gedanklich weg zu schieben. Doch in der achtsamen Haltung sollten wir versuchen, diese Empfindungen bewusst zu spüren und zu akzeptieren. Wir drücken sie nicht weg, sondern beachten sie für einen Moment, bevor wir sie ziehen lassen - so wie Wolken am Himmel. Ganz ohne unser Zutun, ganz von alleine. Wir sind es zwar gewohnt, ungute Gedanken krampfhaft zu kontrollieren oder zu verdrängen, doch dies bringt wenig - diese Versuche zehren an unseren Energiereserven und führen oft dazu, dass wir uns mit Selbstvorwürfen quälen. In der achtsamen Haltung geht es aber nicht darum, sich extra in unangenehme Gefühle hinein zu steigern - denn so fachen wir das Feuer nur unnötig an! Unser Gedanken, Gefühle und unser Verhalten hängen sehr stark zusammen. Daher sollte das bewusste Zuwenden so stattfinden, dass wir zwar hinschauen, aber auch akzeptieren, dass alles vorbei geht, ohne dass wir aktiv eingreifen müssen - und können!

Selbstgespräche: Bitte liebevoll, mit einer Portion Humor

Wenn wir einmal bewusst darauf achten, spüren wir, dass wir im Alltag oft sehr streng mit uns umgehen. Sätze wie “Du Trottl” oder “Typisch, du Schussel” bestimmen unser Denken und zerren ganz schön am Selbstwert. In der Achtsamkeit versuchen wir, eine respektvolle und liebevolle Haltung gegenüber uns selbst einzunehmen. Fällt dies schwer, dann kann eine humorvolle Haltung eingenommen werden - wer über sich selbst lachen kann, fühlt sich besser als jemand, der sich selbst ständig bemängelt. Die Selbstwerterhöhung gehört schließlich zu unseren ureigenen Grundbedürfnissen.

Eine hilfreiche Atemübung ist der 3 Minuten Atemraum.

  1. Machen Sie es sich möglichst bequem - setzten oder legen Sie sich hin.

  2. Stellen Sie sich den Wecker auf 3 Minuten.

  3. Nun widmen Sie die nächsten 3 Minuten ihren Empfindungen.

  4. Atmen Sie tief ein, so dass sich die Bauchdecke hebt. Wenn Sie möchten, können sie die Handflächen auf den Bauch legen, um dies zu erleichtern und zu spüren.

  5. Nun atmen Sie bewusst in jene Bereiche des Körpers, die sich unangenehm anfühlen.

  6. Betrachten Sie diese Bereiche genau und beobachten Sie, welche Gedanken, Gefühle und körperlichen Empfindungen auftreten, wenn Sie so bewusst hinschauen und hinspüren.

  7. Wenn ihr Geist auf Wanderschaft geht - was er gerne tut - dann führen Sie ihn sanft zurück zu der Stelle - nehmen Sie einen tiefen Atemzug und spüren Sie weiter.

  8. Sobald der Wecker läutet, öffnen Sie die Augen und notieren Sie, welche Gedanken, Gefühle und körperlichen Empfindungen Sie verspürt haben.

Führen Sie diese Übung in dieser Woche täglich durch - gemeinsam mit der Dehnungsübung sind Sie nicht einmal 10 Minuten lang beschäftigt. Durch diese Übungen erleben Sie mehr Bewusst-Sein für Ihren Körper, Ihre Gedanken und Ihre Gefühle und lernen zugleich, dass es nicht um das “Nicht-Haben-Wollen” von Empfindungen, sondern um das bewusste Annehmen und “So-Sein-Lassen” geht. Durch das mutige Hinsehen nehmen Sie selbst dem Unangenehmen seine Bedrohlichkeit.